Brot und Wein.

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Musik und guter Whiskey. Ja, irgendwie widersprüchlich zum Titel, aber dennoch wichtiger Bestandteil dieses Texts. Denn diese beiden Worte tauchten immer wieder auf, während meines Gesprächs mit Ben in einer Kiezkneipe in Berlin-Neukölln. Er und seine Frau Jasmin, beides Künstler - er Musiker, theologischer Hintergrund, Amerikaner mit Hang zu trauriger Musik, Whiskey-Liebhaber, sie selbstständig mit einem tollen Label „wennn Geschirrgeschichten“. Beide sind mit Herz und Seele Wahl-Neuköllner. Und eine echte Bereicherung für diesen Kiez. Das wurde mir direkt klar, als Ben erzählt hat, was er gerade so macht. Natürlich was mit Musik, hat mich jetzt nicht überrascht. (Die beiden haben auch eine Band: Roemer.) Was mich aber überrascht hat, war seine große Leidenschaft für andere Künstler - genauer gesagt Singer und Songwriter, die seiner Meinung nach nicht genügend wertgeschätzt und schon gar nicht bezahlt werden. Recht hat er. Das müsste geändert werden. Aus diesem Grund haben er und seine Frau sich das Konzept der Kitchen Shows ausgedacht, eine Art Wohnzimmer-Konzert-Serie. Die Vorstellung davon, so viele Leute in ihrer Wohnung zu haben, war erst sehr erschreckend und herausfordernd - beide sind eher ruhige und introvertierte Typen - aber auch sehr gesund, „because it’s always good to leave your comfort zone“, findet Ben.

Kitchen Shows
Und so funktioniert’s: Die Musik bestimmt den Abend, ein ausgewählter Künstler wird eingeladen. 100 Euro Verdienst für den Abend sind ihm sicher, denn die zahlt Ben. Auch das Publikum wird besonders sorgfältig ausgesucht, dabei achtet Ben darauf, dass bei jeder Kitchen Show möglichst viel Diversität besteht: So kann es sein, dass sich in der Runde ein AfD-Anhänger, ein streng konservativer Christ, ein Transgender und ein Flüchtlingshelfer befinden. Ben und seine Frau schaffen eine sichere Umgebung, bei der Akzeptanz für Andersartigkeit, Großzügigkeit und Genuß zusammentreffen. Die Gäste werden ermutigt, die Künstler ebenfalls zu unterstützen, denn gute Kunst muss wertgeschätzt und entsprechend entlohnt werden. Dafür wird den Gästen aber auch Gastfreundschaft vom Feinsten geboten: Gutes Essen wird aufgetischt, edler Whiskey und Wein fehlen natürlich auch nicht. „I want people to have exposure to something that’s really good and I want them to feel ridiculously welcome.“

Vesper Zeiten
Auch das nächste Projekt, von dem Ben mir erzählte, fand ich spannend. Bei sogenannten „Vesper Zeiten" kommt eine kleine Gruppe von Leuten regelmäßig zum Abendbrot zusammen. Meist Christen oder solche, die daran interessiert sind und mehr darüber wissen wollen. Vor dem Essen wir die Tageslosung laut vorgelesen. Danach ist es dann auch schon vorbei mit dem theologischen Teil und der Fokus liegt ganz auf dem gemeinsamen Essen und die Alltags-Gespräche, die dieses so mit sich bringt. Ganz bewusst, wird hier kein Raum gelassen, das Gelesene zu diskutieren, interpretieren oder was man sonst noch so mit Bibeltexten macht. Ben ist überzeugt davon, dass der Text seinen Zweck erfüllen und seine Botschaft entfalten wird, indem man ihn einfach sacken lässt. Von ganz allein wird er etwas Individuelles tun, bei jedem auf die Art und Weise, die gerade dran ist. Nach dem Essen besteht aber die Möglichkeit für intensivere Gespräche, gemeinsames Abendmahl oder Gebet. Das Ziel dieser Treffen ist es, eine vertraute Beziehung untereinander zu schaffen und Stabilität und Langfristigkeit hineinzubringen. Als Host ist es wichtig, dass zeitliche Kapazität für Regelmäßigkeit gegeben ist, was für Ben und Jasmin momentan nicht möglich ist, da beide durch Selbstständigkeit und andere Projekte sehr eingespannt sind. Und das könnte man jetzt auch als einen Wink mit dem Zaunpfahl für den einen oder anderen Berliner, der gerne vespert und Lust auf den Neuköllner Kiez hat, interpretieren.

Sunday Dinner
Bevor dieser Text den Rahmen sprengt, erzähle ich euch noch kurz vom letzten Projekt. Ja, es lässt sich schwer in eine DIN A4 Seite packen, was Ben und Jasmin so machen. Aber für das „Sunday Dinner“ ist noch Platz. Hier gehts nämlich ans Eingemachte. So ein Dinner steht unter einem bestimmten Thema, beispielsweise Trauer oder Gentrifizierung (in Neukölln) und bringt eine Menge Diskussionsstoff mit sich. Diskussionen, die Gewicht haben, die direkt in die Tiefe gehen, die unbequem werden und aufzeigen, wie unterschiedlich wir als Menschen sind - mit dem, was wir erleben, was uns bewegt, was wir glauben und fühlen - und es trotzdem möglich machen, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und eine Mahlzeit zu teilen. Inspiriert durch die „Oldie TV Show“ Mr. Roger’s neighborhood und ihrer Message „If you would truly know someone’s story you couldn’t help but love them“ hat die Neugierde bei Ben gesiegt, das Risiko mal zu wagen. Was, wenn es wirklich so ist? Wenn du in die Geschichte einer anderen Person eintauchst und plötzlich nichts als Liebe für sie übrig hast. Es könnte chaotisch werden, aber ist es das nicht wert?

Von Jessica Martens

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