Warum wir eine missionale Theologie brauchen

Für die einen ist es Spanien im Sommer, für die anderen Spanien nach dem Sommer. Wer sich nach Urlaub sehnt ist ähnlich wie manche, die mit „missional“ um sich werfen: die Sehnsucht nach was Neuem, guter Stimmung, Platz für tiefe Ambitionen und viel Connection. Für andere ist das Wort schon abgenutzt und überhitzt, so wie die verbrannten Bäume im September in der Costa del Sol. 

Dennoch! Wenn es je einen Punkt gab, dennoch zusagen, dann hier. Dennoch! Missional ist die Weiche in die Zukunft. Hier müssen wir sein. Darüber müssen wir reden. 

Um die Bedeutung von Missional ranken sich so viele Legenden wie um 1860 um den genauen Ursprung des Nils. Mir egal – ich habe meine Version hier beschrieben. 

Für mich ging die Reise um 2002 los. Damals war ich frisch in ner Vineyard und hatte viel Spass mit den Wimber-Nachkömmlingen. Worship und Gottes Stimme waren riesen Lernfelder für mich, und dazu viele Witze und kühle Biere. Geistlich war alles in Ordnung. Nach ein paar Monaten und Jahren kam aber etwas Langeweile mit „emotionalen Höhepunkten“ auf. Ab und zu waren sie richtig super, öfter aber auch gestellt, produziert und damit irgendwie too much. 

Emerging church kam ins Spiel. Einige merkten diese Müdigkeit mit Formen, auch wenn diese als recht frei daher kamen. Man hinterfragte. Mehr Kreativität. Mehr alle-spielen-mit. Mehr Dialog. Mehr Gesellschaftsrelevanz. Hörte sich alles gut an. Die Stimmen waren roh und radikal, das gefiel mir. Ein paar Projekte waren draufgängerisch und hatten genau die Frische wie meine erste Vineyard-Konferenz in den 90ern. Kubik in Karlsruhe war the place to be. Was Mark und die anderen da aufstellten war unbelievable. 

Dennoch passierte irgendwas mit Emerging nicht, was ich eigentlich erwartete: das emergte nix. Die Projekte waren klein, die Stimmen öfter gegen was, und die Agenda wachsweich. Oft habe ich auch gar nicht verstanden, was denn da geredet wird (wahrscheinlich habe ich zu wenige Dekonstruktions-Gene in mir). 

Um die Ecke kam missional. Dieses Wort brachte viel Sehnsucht aus Vineyard und Emerging zusammen. Wie können wir Evangelium verkörpern? Wie können wir aufhören in Welt-vs-Heilig zu denken? Wie kommen wir weg vom Konsum-Gottesdienst? Hirsch und Frost waren die Redelsführer, und Mike Breen lieferte ein Modell in Sheffield. Wir ließen uns in Heidelberg drauf ein – von den Ideen und vom Modell. 

7 Jahre später kann ich sagen – die Theorie stimmt. Das Umsetzen in der Praxis ist ein anderes Ding. Wahrscheinlich sind wir nur besonders unfähig, aber so einfach geht das alles nicht. Irgendwie mögen die Leute doch alle ihre Gottesdienst (schauen während der Woche Bethel oder Hillsong), die Eltern mögen ihre Kinderprogramme, und die meisten haben keine Zeit für große Inkarnationsprojekte. Und dennoch ist es die Weiche in die Zukunft. 

Ohne missional wird die Kirche weiter voll in Industriegebieten oder leer in Innenstädten sein. Ohne missional wird weiter das Herz der Kommunikation fehlen: eine glaubhafte Verkörperung des Christentums. Ohne missional mag die Lichtshow stärker strahlen, aber die Formen ähnlich bleiben. 

Wer wie ich eine Interesse an Fortschritt und Umsetzung hat ist hier in einer Zwickmühle. Es ist die verheißungsvollste Form, und gleichzeitig langsam und unklar vom Weg. Da ist die Alternative, das einfach zu stecken und doch einen auf Lichtshow zu machen. Diese Mischung aus Offenheit und Pragmatismus ist ein zweischneidiges Schwert. Der Vineyard-Theologe Derek Morphew sagte mal:

Gemeinden, die pragmatisch sind und offen für das Wirken des Heiligen Geistes, sind in der zweiten Generation gefährdet, spiritistisch und liberal zu werden, weil ihnen der Rahmen fehlt, in dem flexible Strukturen und die Offenheit für geistliche Erfahrungen stattfinden kann.

Der gute Derek wies damit auf die Rolle von Theologie hin. Das Ganze muss so gegründet und erklärt sein, dass es eben nicht nur Pragmatismus ist. Es braucht mehr als Soziologie oder Trend-Stimmung. Eine richtige inhaltliche Kante muss her. 

Von Vineyard habe ich ein Reich-Gottes-Blick, der umwerfend geil ist. Was Georg Ladd formuliert hat, und John Wimber übersetzt und angewandt hat: das ist Hammer. Das Reich Gottes war zentrale Botschaft von Jesus; es ist angebrochen und greift in unsere Welt, wartet aber noch auf die Vollendung; wir leben als Instrumente vom Reich in unsrer Zeit. Ein super, super Zug, würde Pep sagen. 

Ein Haken hat die Wimber-Theologie allerdings wenn ich jetzt mit etwas Abstand draufschaue. Die Erwartung von Wundern hat eine Weltsicht im Gepäck, die mal aus unseren evangelischen Kleidern gebügelt werden muss. Die Falte nennt sich Dualismus. Eine Trennung zwischen Bereichen. Auf der einen Seite der Himmel, dann die Erde. Himmel ist perfekt und gottmäßig. Erde sind halt wir. Und ideal sind möglichst viel „übernatürliche“ Momente, sprich Zeug das normalerweise nicht vorkommt und den Dualismus für ein paar Sekunden überwindet. Aber der Dualismus bleibt in den Köpfen. 

Das mag etwas spitzfindig klingen: Dualismus. Außer man zieht den Vorhang mal zurück und versteht, was hinten dran steht. Die Reise geht ins alte Griechenland, 300 vor Christus. Dort war Grieche genervt von der Einmischung der Götter (klar, die hatten auch ne ganze Menge, und die meisten Götter waren ziemliche Drama-Queens). Sein Ideal war Lustmaximierung: machen was man will. Da braucht man nicht dauernd Götter, die was wollen oder in unserer Freizeit rumfummeln. Also zeichnete er ein Bild wo Gott im Himmel ist, wir auf Erden. Gott oben, wir unten – und der Fahrstuhl ist kaputt. Diese Schule ist Epikureismus – und die Grundlage für alle säkulare Denke heute. Und die Christen haben auch einen Schluck aus der Pulle genommen. 

Für die Welt ist das ein guter Deal. Lass den Glauben an Gott stehen (ist eh schwer alles als knallharter Atheist zu erklären), und bau einfach ne Trennung auf. Dann sind die Menschen für die Welt verantwortlich und können sich nach Herzenslust austoben. Gott ist dann der Himmel-Chef. Der ist für geistliche (persönlich-innere) Fragen zuständig; oder evtl wenn man mal stirbt. Wer weißt das schon. Und wir Christen haben auch gesagt: stell dir vor du stirbst und begegnet Gott - wäre es da nicht besser mit ihm versöhnt zu sein? Und diese Angst-bekehr-dich-Botschaft ist der Kern was die meisten als „Evangelium“ verstehen (du brauchst keine Angst zu haben, du kannst als Sünder bestehen, Gott ist für dich und nicht gegen dich). Alles gute Botschaften – aber eben mit einem starken Jenseitsgewicht. Dualismus ist da eingebaut. 

Und selbst die Wimberiten mit dem Hunger auf den geilen Gottmoment im Diesseits sagen dass es eigentlich eine Trennung gibt zwischen der Gottsphäre und uns hier. Was, wenn das falsch ist? 

Dazu brauchen wir eine Theologie, die das durchdenkt. Wir brauchen eine andere Denkbrille, um die Welt und uns anders zu sehen. Nur dann wird aus dem Relevanz-gesuche auch eine Bewegung mit langem Atem. Wir brauchen einen Blick der aufhört, Gott als Schöpfer vom Himmel und einem missratenen Betaprojekt namens Erde zu behandeln. Wir brauchen eine theologische Vision, die Mission im Herzen trägt (und nicht nur als Extraaufgabe für die besonders fleißigen Christen). Wir brauchen missionale Theologie. 

Meine Straße führt mich zu NT Wright, andere schwören auf Frost/Hirsch, oder Thomas Torrance, oder Johannes Reimer, Karl Barth oder Dietrich Bonhoeffer. In der Summe ist das immernoch etwas eklektisch, ähm schwer verständlich. Es braucht klare Denker, mutige Forscher und systematische Lehrer. Und dann brauchte es Künstler und Pop-Sprecher, die das für Hinz und Kuntz übersetzen können. Aus meiner Sicht bahnen sich die Wege an, die Weichen sind gestellt. Jetzt müssen wir es noch ausformulieren und ins Kopf-Kino bringen.